Ein Denkmal deutsch-jüdischer Kulturgeschichte
der Jüdische Friedhof Weissensee
herbert-baum-strasse 45 – 13088 Berlin-weissensee
Die Gestaltung des 1880 eingeweihten Jüdischen Friedhofs Weißensee ist das Ergebnis eines Architekturwettbewerbs, den die Jüdische Gemeinde 1878 ausgeschrieben hatte, nachdem sich eine Vollbelegung des Friedhofs in der Schönhauser Allee abzeichnete. Den Zuschlag erhielt der spätere Leipziger Stadtbaurat Hugo Licht. Zunächst wurde nur die nördliche Hälfte des etwa 40 Hektar großen Geländes mit Friedhofsgebäuden bebaut und durch ein Wegesystem gegliedert. Licht gestaltete an der heutigen Herbert-Baum-Straße ein Gebäudeensemble aus gelbem Klinker im Stil der italienischen Frührenaissance, bestehend aus einem Eingangsportal, einer Trauerhalle, Arkadengängen und Verwalterhäusern. Die knapp drei Meter hohe Einfassungsmauer wurde dazu passend errichtet. Das prunkvolle Eingangsgitter ist eine Schöpfung der Kunstschmiedefirma M. Fabian. Die Grabfelder wurden streng geometrisch als Dreiecke, Rechtecke oder Trapeze strukturiert, die Kreuzungen der Hauptwege als Kreis, Quadrat oder Oktogon ausgebildet. Dieser älteste Friedhofsbereich ist gestalterisch am vielfältigsten, die später angelegten Abteilungen bestehen mehrheitlich aus aneinandergereihten Rechtecken. Differenzierte Alleepflanzungen begleiten die Haupt- und Verbindungswege. Bereits 1914 wurde im südwestlichen Teil des Friedhofs ein Ehrenfeld für die gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs eingerichtet und dort 1927 nach einem Entwurf von Alexander Beer ein Denkmal aufgestellt. Während des Zweiten Weltkrieges sollen sich einige im Untergrund lebende Juden in den Mausoleen versteckt haben. In diese Zeit fällt auch die Anlage eines Grabfeldes für jene Deportierten, deren Urnen aus den Konzentrationslagern geschickt wurden. Im Zentrum des am Haupteingang liegenden Ehrenhofs wurde 1950 für die Opfer der Shoah ein Gedenkstein eingeweiht. Ein anderer Grab- und Gedenkstein, unweit der Ehrenreihe, erinnert an den Kommunisten und antifaschistischen Widerstandskämpfer Herbert Baum, der gemeinsam mit seiner Frau und 26 Gruppenmitgliedern 1942/43 hingerichtet wurde. Der Jüdische Friedhof Weißensee, seit den 1980er Jahren als Denkmal geschützt, überliefert eine Fülle von Grabdenkmalen, die sowohl für die Geschichte des Judentums in Berlin als auch kunsthistorisch von hoher Bedeutung sind. Mit seiner enormen Fläche und den über 115.600 Beisetzungen zählt er zu den größten jüdischen Friedhöfen Europas. Wie bereits zuvor der Jüdische Friedhof Schönhauser Allee, spiegelt auch dieser Begräbnisplatz die fortschreitende Assimilation der Juden während der Wilhelminischen Ära und der Zeit der Weimarer Republik wider. Neben der Masse an schlichten, für die jüdische Begräbnistradition typisch schmucklosen Grabstelen finden sich hier auch viele prunkvolle Grabdenkmale wohlhabender jüdischer Gemeindemitglieder. Diese wurden zum Teil von national und international renommierten Architekten, Künstlern und Kunsthandwerkern gestaltet, darunter etwa Hugo Lederer, Fritz Klimsch, Ludwig Mies van der Rohe, Walter Gropius und Hans Dammann. Zu den zahlreichen Berliner Persönlichkeiten, die hier bestattet wurden, gehören beispielsweise der Politiker Max Hirsch (†1905), der Schriftsteller Micha Josef Bin Gorion (†1921), der Maler Lesser Ury (†1931), die Verleger Samuel Fischer (†1934) und Rudolf Mosse (†1920) sowie der Schriftsteller Stefan Heym (†2001).